
Erfassung zentraler Ermüdung im Teamsetting
Herzratenvariabilität
Sicherlich die verbreiteteste Möglichkeit die Aktivität des zentralen Nervensystems zu erfassen, ist die Herzratenvariablität (HRV). Diese basiert darauf, dass unser Puls nicht punktgenau wie ein Computer funktioniert, sondern natürlichen Schwankungen von Schlag zu Schlag unterliegt. Je lebendiger und vitaler wir sind, desto größer sind die Schwankungen. Bereits der chinesische Mediziner Wang Shu-He hat im 3. Jahrhundert gesagt : “Ist der Puls eines Patienten so regelmässig wie das Tropfen des Regens vom Dach, dann ist der Patient 3 Tage vor dem Tode.”
Die HRV ist ein Frühwarnsystem für Leistungseinbußen. Studien konnten zeigen, dass eine reduzierte HRV auf Leistungseinbußen hinweist, die ein paar Tage später folgen, obwohl der Athlet selber keine Erschöpfung verspürt. Das zeigt, dass ein objektiver physiologischer Wert die eigene und fremde subjektive Einschätzung maßgeblich unterstützen kann, um Leistung zu optimieren.
Die Variation der Pulsfrequenz wird durch viele physiologische Einflüsse gesteuert. Sowohl das sympathische Nervensystem hat Fasern, die am Herzen ansetzen und die Pulsfrequenz nach oben regulieren, als auch das parasympathische Nervensystem hat einen Nervenstrang, den Vagusnerv, der vom Gehirn durch den Brustkorb zum Herzen läuft und den Puls langsamer macht. Während wir einatmen entsteht im Brustkorb ein Unterdruck und der Vagusnerv sendet daraufhin reduzierte Signale an das Herz, was Du einer Beschleunigung des Pulses beim Einatmen führt.
Diese, durch die Atmung bedingte Unregelmäßigkeit in unserem Puls, nennt sich respiratorische Sinusarrhythmie, ist sehr natürlich und ein Zeichen von einem balancierten und gesundem Nervensystem. Die ersten Erkenntnisse über HRV in der westlichen Medizin wurden gewonnen, als man feststellte, dass Frühgeborene mit einer reduzierten HRV aufgrund reduzierter Sinusarryhtmie eine stark reduzierte Überlebenschance hatten. Seitdem ist die HRV ein fester Bestandteil, nicht nur der Pädiatrie, sondern auch der Kardiologie, und auch dem Regenerationsmanagement von Athleten. Das liegt daran, dass man festgestellt hat, dass die HRV sehr sensibel auf Trainingsbelastungen, vor allem auf Ausdauerbelastungen reagiert.
Wird die Trainingsbelastung hochgeschraubt, dann reduziert sich die HRV, weil das sympathische dem parasympathischen Nervensystem überwiegt und dadurch die Pulsfrequenzreduktion während der Atmung, die ja vom parasympathischen Nervensystem vorgenommen werden sollte, nicht mehr in einem hohen Maße passiert. Die Variabilität nimmt ab. Das nennt man dann auch sympathische Dominanz. Um die HRV zu messen erfordert es inzwischen keine grossen und teuren EKG Geräte mehr. Es gibt zahlreiche User-Varianten, die man für kleines Geld erwerben kann. Sicherlich mit die beste Variante, die für Einsteiger wunderbar geeignet ist, ist das “iThlete” System. Alles was man für die Nutzung benötigt ist ein Smartphone und einen Standardpulsgurt.
Die Messung dauert 5 Minuten und ist sehr verlässlich, wenn man einige Standardisierungsregeln beachtet. (Jeden Morgen nach dem Aufstehen, vor dem Toilettengang, kein Koffein, etc.) Bei der Nutzung von iThlete ist es erforderlich erstmal 10-14 Tage seinen individuellen Durchschnitt zu kennen, bevor man anfängt auf die möglichen Abweichungen zu reagieren.
Eine noch genauere Analyse der HRV ist mit dem Tool Omegawave möglich. Im Gegensatz zu iThlete und fast allen anderen HRV Tools, nutzt Omegawave nicht nur die Wurzel, der durchschnittlichen Herzschlagabweichungen, sondern es wird zusätzlich eine sogenannte Spektralanalyse und eine nicht-lineare Berechnungsmethode angewandt. Long Story short : Omegawave kann eine noch genauere Aussage über den aktuellen Regenerationszustand treffen und genauere Trainingsempfehlungen geben. Omegawave braucht keine Anfangsperiode, in der der individuelle Durchschnitt erfasst wird, sondern kann direkt für Trainingsempfehlungen genutzt werden.
Die Schwächen der HRV Messung liegen ganz klar darin, dass sie nur einen Aspekt des zentralen Nervensystems erfassen, nämlich die Innervation des Herzens.
Sprungkraft
Einer der praktikabelsten und wertvollsten Methoden, um nicht nur vegetativ-kardiale, sondern auch neuromuskuläre Erschöpfung als Folge von Eishockeytrainings, Kraft-trainingseinheiten, Schnelligkeitseinheiten, oder Spielen zu erfassen, ist die Sprungkraft. Der Goldstandard zur Erfassung von Erschöpfung und Regeneration ist die muskuläre Maximalleistung. Die Sprungkraft kann die muskuläre Maximalleistung abrufen OHNE eine relevante Erschöpfung zu produzieren. Man kann also sozusagen beobachten ohne einzugreifen.
Sobald die individuelle Sprungkraft von dem bisherigen Durchschnitt des Athleten zu mehr als 5% abweicht, dann ist das zentral-nervöse System des Athleten mit Adaptation beschäftigt. Schwankungen über 10% sollten zu einer reduzierten Trainingslast führen. Die Sprungkraft ist ein guter Indikator für die Explosivkraft des Athleten. Daher raten wir stark dazu, täglich die Sprungkraft der Athleten zu messen, um nicht nur den Trainingserfolg zu bewerten, sondern auch, um anhand akuter Schwankungen die Trainingsintensität zu steuern.
Es ist eine riesen Motivation für die Spieler, sich jeden Tag in der Sprungkraft zu messen. Es motiviert nicht nur dazu, stärker und explosiver zu werden, sondern auch dazu, jeden Tag an optimaler Regeneration zu arbeiten, weil die Sprungkraft sensibel auf Schlaf- und Regenerationsdefizite reagiert.
Es gibt mehrere Methoden die Sprungkraft zu testen:
Kraftmessplatte
Inzwischen gibt es eine Reihe von finanzierbaren Kraftmessplatten, aus denen sich nicht nur die Sprunghöhe ablesen lässt, sondern auch Parameter wie das Verhältnis von konzentrischer zu exzentrischer Phase, oder von Kontraktionszeit zu Flugzeit, die noch genauere Parameter für das Monitoring zentraler Erschöpfung darstellen.
Kontaktmatte
Die praktikabelste und einfachste Lösung ist eine elektronische Kontaktmatte. Im Preissegment von 500-900€ ist sie vergleichbar mit dem Vertec und der Kraftmessplatte, aber dafür ist sie portabel und kann auf Heim- und Auswärtsspielen, sowie auf Reisen ins Trainingslager verwendet werden.
Vertec
Das Vertec System wird beim NHL Draft verwendet, um die Sprungkraft zu messen. Es ist praktikabel, und einfach zu bedienen, eignet sich allerdings nur für den stationären Gebrauch, weil das Gerät sehr gross und schwer ist.
Bei einer täglichen Schwankung von über 10% sollte dasTrainingsvolumen reduziert werden.
Auch bei plötzlichen Steigungen von über 10% sollte das Volumen reduziert werden um das neue Leistungsniveau zu stabilisieren.
Wenn man die Sprungkraft nur 1x/Woche misst, dann sollte man spätestens bei einer Verschiebung von über 15% handeln.
Griffkraft
Griffkraft hängt eng mit Gesamtkörperkraft, Krankheitsrisiko, Sterblichkeit und sogar der Libido zusammen. Eine Studie mit 693 Männern hat ergeben, dass es außerdem eine enge Korrelation von Griffkraft und Testosteronwerten gibt. Die Griffkraft nimmt ab, wenn die Dopaminspiegel im Gehirn fallen und kann daher ein guter Frühindikator für die zentral-nervöse Erschöpfung sein. Die Griffkraft wird mit einem so genannten Hand-Dynamometer gemessen, welches man ab 30€ finden kann.
Standing Toe Touch
Der Standing Toe Touch ist der klassische „Berühren sie mal bitte bei gestreckten Beinen mit ihren Fingerspitzen ihre Zehen“ Test. Obwohl es paradox erscheint, haben wir diesen Test absichtlich nicht in die Testung der muskulären Erschöpfung eingeordnet, sondern in die Erschöpfung des zentralen Nervensystems.
Die Länge und Spannung von Muskeln ist kein rein mechanisches Phänomen, sondern der Hauptverantwortliche für die Muskelspannung ist mal wieder das zentrale Nervensystem. Das ist der Grund warum Muskelrelaxantien während der Narkose funktionieren und warum aktives Stretching effektiver für Beweglichkeit ist als statisches Stretching.
Hierbei geht es vor allen Dingen um ein Phänomen, dass sich „Startle Reflex“ nennt. Der Startle Reflex, sowie die Landau Reaktion sind unsere angeboreneren Schutzreflexe. Wir haben ihn alle als kleine Kinder schon gemacht, wenn wir mit Schneebällen beworfen wurden, und machen ihn heute, wenn sich ein Puck in Richtung unseres Gesichtes bewegt. Dabei bringen wir die Arme schützend vor das Gesicht, den Kopf nach vorne und unten, die Nackenmuskulatur spannt sich an, wir gehen leicht in die Knie und machen den Rücken krumm, um die Bauchorgane zu schützen. Dieser Reflex tritt nicht nur bei akuten Gefahren, sondern auch in geringem Ausmaße bei chronischer Stressbelastung auf.
Die Schultern fallen leicht nach vorne ein, der Nacken verspannt sich, der Rücken verspannt sich, und wir werden eben unbeweglicher, wenn es darauf ankommt, mit den Fingerspitzen den Boden zu berühren.
Der Toe Touch wird von manchen Trainern auch während des Trainings eingesetzt, um die richtige Übungsauswahl und die richtige Trainingsdosis zu wählen. Sobald der Toe Touch schlechter wird, bedeutet das, dass der Körper des Athleten sich mit einer Übung nicht mehr sicher fühlt, weil die Belastung zu hoch geworden ist.
Der Toe Touch kann einen guten Überblick über den aktuellen Belastungszustand des Athleten geben und in Kombination mit spezifischeren Messungen des zentralen Nervensystems und des muskulären Systems eine gute Hilfestellung für die Trainingssteuerung sein.